Meine Erfahrungen als selbstständige Logopädin – mit Gerlinde Ink

Lesedauer: 8:45 Minuten
Gerlinde Ink, Logopaedin mit 10 Jahren Erfahrung

Das lebenslange Lernen ist Gerlinde Inks größte Freude. Sei es eine Umschulung auf ihre heutige Berufung Logopädin, ein umfangreicher Lehrgang, den sie virtuell absolviert, oder ein Kreis, in dem sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sich laufend austauschen – Neugier und der Wunsch, den Patienten stets die beste Behandlung zu teil werden zu lassen, treiben Gerlinde Ink an. In ihrer Praxis bietet sie eine eingehende und fundierte logopädische Diagnostik nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Im Gespräch erzählt sie uns mehr über ihren Karriereweg, wie sie dazu kam, sich selbstständig zu machen, und welche Tipps sie TherapeutInnen geben würde, die über eine eigene Praxis nachdenken.

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Hallo Gerlinde! Bitte stell Dich unseren ZuhörerInnen erst einmal kurz vor.

Gerlinde: Vielen Dank für die Möglichkeit, mein Wissen hier zu teilen. Ich bin Logopädin, und man könnte sagen, eine Spätberufene. Ich habe als zahnmedizinische und kieferothopädische Fachhelferin gearbeitet, bis ich mich mit 33 Jahren nochmals dazu entschieden habe, die Schulbank zu drücken und eine Ausbildung zur Logopädin zu machen. Im Anschluss habe ich noch einen Master of Science in Klinischer Linguistik draufgesetzt.

Adela: Eindeutig ein roter Faden, der sich auf Deinem Bildungsweg abzeichnet. Man könnte wohl sagen: Du hast Deine Berufung zum Beruf gemacht.

Gerlinde: Absolut!

Es ist nie zu spät, etwas Neues zu beginnen, und man sollte generell nie aufhören zu lernen.

Was waren beruflich die bisher wichtigsten Stationen in Deinem Leben?

Gerlinde: Nach meinem Logopädie-Studium habe ich in einem Sozialpädiatrischen Zentrum in Traunstein gearbeitet. Ursprünglich komme ich aus dem Chiemgau in Bayern nahe Salzburg. Dort hatte ich zuvor schon sehr viel interdisziplinäre Erfahrung gesammelt. 2005 bin ich dann nach Wien gezogen und habe in einem Rehabilitationszentrum in Meidling gearbeitet, das auf Schädel-Hirn-Trauma spezialisiert ist. Auch hier stand ein interdisziplinäres Arbeiten an der Tagesordnung und ich konnte sehr viel über die Funktionen des Gehirns lernen.

In weiterer Folge habe ich an der FH Joanneum in Graz im Fachbereich Logopädie unterrichtet. Eine besondere Erfahrung, von der Seite der Studentin auf die der Dozentin zu wechseln.

Irgendwann muss man sich für ein Angestelltenverhältnis oder die Selbstständigkeit entscheiden. Wie war das bei Dir?

Gerlinde: Ich habe nach einiger Zeit gemerkt, dass ich langfristig nicht in einem starren Verwaltungsapparat arbeiten möchte. Es war einfach keine Weiterentwicklung mehr für mich möglich und ich lerne nun mal für mein Leben gerne. Ich sage immer: Ich bin ein Lernjunkie.

Es gab für mich also irgendwann nur zwei Möglichkeiten: In eine andere Branche wechseln – das wollte ich aber nicht – oder ich mache mich selbstständig. Ich habe mir diesen Schritt sehr gut überlegt, da er ja mit einigen Risiken verbunden war, aber heute kann ich sagen: Ich bereue ihn keine Sekunde.

Was war es schlussendlich, dass Dich trotz der Risiken von der Selbstständigkeit überzeugt hat?

Gerlinde: Der Umstand, für mich selbst verantwortlich zu sein und mir gewisse Freiheiten nehmen zu können. Man darf natürlich vor allem den Start in die Selbstständigkeit nicht unterschätzen. Sich etwas aufzubauen, erfordert viel Energie und Durchhaltevermögen, und wenn man krank wird, bekommt man nicht weiter sein Geld ausbezahlt, wie es als Angestellte der Fall ist.

Aber dafür kann ich nun ganz eigenmächtig entscheiden, wohin die Reise geht, wen ich kontaktiere, wie mein Auftreten ist oder welche Schwerpunkte ich setze. Das ist ein Umstand, den ich wahnsinnig genieße.

Adela: Sicherlich hilft es auch, auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Gerlinde: Natürlich ist das ein Plan, den ich nicht von heute auf morgen umgesetzt habe, sondern der lange gereift ist und für den ich mich mit allen Aspekten der Selbstständigkeit auseinandergesetzt habe.

Man darf nicht vergessen, dass man dann nicht mehr nur Therapeutin ist, sondern auch Unternehmerin und betriebswirtschaftlich denken muss.

Das ist auch etwas, das ich jedem raten würde, der in die Selbstständigkeit gehen will: Informiert euch möglichst umfangreich. Ich habe damals zB einen Kurs zum Thema „Selbstständigkeit für AkademikerInnen“ besucht, in dem ich von der Idee bis zur Erstellung eines Business Plans alles gelernt habe. Das war intensiv, aber sehr wichtig und lehrreich.

Adela: Wie es dann tagtäglich läuft, lernt man dann natürlich in Form von Learning by Doing. Daneben ist es aber sicherlich wichtig, das richtige Rüstzeug zu haben.

Gerlinde: Genau. Vieles lernt man, während man tagtäglich in der eigenen Praxis arbeitet, aber sich vorab durchzurechnen, wie sich alles finanziert, welche Tools man benötigt, um bekannter zu werden, wo sollte und kann ich mir Support holen, etc. – das ist wichtig zu wissen, bevor man in dieses Abenteuer startet.

War für Dich auch eine Gemeinschaftspraxis eine Option?

Gerlinde: Ich bin derzeit ein Einpersonenunternehmen – EPU – und habe das auch ganz bewusst so gewählt. Ich hatte vor meinem Sprung in die Selbstständigkeit auch die Möglichkeit, Teil einer Gemeinschaftspraxis zu werden, hatte aber den Wunsch, einfach mein eigenes Ding durchzuziehen.

Mittlerweile denke ich auch, dass Primärversorgungszentren mit mehreren TherapeutInnen wichtig sind und natürlich auch viele Vorteile bieten. Die PatientInnen haben alles an einem Ort. Man kann sich die Kosten für die Praxis und das Marketing teilen und sich untereinander interdisziplinär laufend austauschen. Das Wichtigste bei so einer Unternehmung ist aber sicher ein gutes Vertragswerk. Je näher man sich ist, desto hieb- und stichfester muss der Vertrag sein.

Man ist jung und miteinander befreundet und unterschätzt gerne die Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn sich im Leben für einen aus der Gemeinschaft eine andere Tür öffnet.

Wie organisierst Du Dich und wie hast Du Deine „Best Practice“ gefunden?

Gerlinde: Wie vorher schon erwähnt ist viel davon Learning by Doing. Ich habe den großen Vorteil, dass Alex, der Sohn meines Mannes, im Consulting arbeitet und mich berät. Er hat nicht nur einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich ihm erzählt habe, wie ich bestimmte Dinge mache (lacht).

Eine wesentliche Frage bei der Selbstständigkeit ist natürlich: Arbeite ich als Kassen- oder als Wahllogopädin? Ersteres ist in gewisser Weise eine geschützte Selbstständigkeit. Man ist aber auch sehr abhängig von den Kassen und den Verhandlungen und hat einen großen administrativen Aufwand.

Als Wahllogopädin muss ich auf der anderen Seite eigenständiger ein Netzwerk aufbauen und meine Praxis organisieren. Mit so wunderbaren Tools wie der appointmed Praxissoftware geht das natürlich gleich viel leichter (lacht).

Wie viel Prozent Deiner Arbeit umfasst die Logopädie und wie viel der administrative und organisatorische Part?

Gerlinde: Ich würde sagen, 70 Prozent entfallen auf die Therapie und 30 Prozent auf das Drumherum. Dazu gehören aber nicht nur die Rechnungslegung und Terminvereinbarungen, sondern auch das Vernetzen.

Bei mir melden sich Kindergärten, Schulen und Ärzte, die eine fachkundige Auskunft brauchen. Diese Vernetzung ist wichtig, aber eben auch sehr zeitaufwendig, und es stellt sich immer mal die Frage, wie man diese Beratung verrechnet.

Trotz gewisser Herausforderungen steht für mich dennoch fest, dass ich nie wieder in einem Angestelltenverhältnis tätig sein möchte.

Gibt es etwas, das Du rückblickend anders machen würdest?

Gerlinde: Ich würde mir bezüglich der Selbstständigkeit weniger Stress und Sorgen machen. Man braucht natürlich ein gutes Qualitätsmanagement, aber man wächst auch mit den Aufgaben. Wenn man etwas mit Herzblut macht und mit Leib und Seele bei der Sache ist, dann funktioniert es auch. Und natürlich braucht es manchmal einfach Zeit. Diesen Faktor darf man nicht unterschätzen.

Was ist der wertvollste Rat, den Du bislang bekommen hast?

Gerlinde: Tatsächlich der Rat, den ich vorhin selbst weitergegeben habe:

Informiere dich gut!

Was braucht es für einen guten Businessplan? Wie komme ich zu Patienten? Was brauche ich, damit sich das alles rechnet? Wie sieht es mit den Steuern aus?

Im Zuge dessen war auch der Tipp wertvoll, Kreditanfragen mit einem konkreten Businessplan in der Hand von unterschiedlichen Banken einzuholen. Das hat für mich einen riesigen Unterschied gemacht. Ich dachte mir davor: Naja, Bank ist Bank, was wird es da schon groß für Unterschiede geben? Aber wenn Du einen klaren Plan an der Hand hast, bekommst Du ganz unterschiedliche Angebote und kannst wählen. Auch sehr wichtig: Ein guter Steuerberater, der auch Branchenkenntnisse hat.

Wenn Du neuen Selbstständigen einen Rat geben könntest, welcher wäre das?

Gerlinde: Denk immer dran, dass Du auch UnternehmerIn bist. Verkaufe Dich nie unter Wert. Mach Dich selbst bekannt, nutze alle dafür sinnvollen Kanäle. Schau, welche Tools Dir die Arbeit erleichtern.

Deshalb hat mich auch appointmed überzeugt, weil ich da eine wunderbare Übersicht habe. Ich sehe auf einen Blick auch zwischendurch, ob ich den nötigen Umsatz erreiche und ob ich mir vielleicht eine Woche Urlaub mehr leisten kann.

Noch ein wichtiger Rat: Bitte vergesst als neue Selbstständige nicht darauf, dass nach zwei Jahren die dicke, fette Nachzahlung vom Finanzamt und der Sozialversicherung kommt. Betriebswirtschaftlich hat das Jahr zudem ja nur 40 Wochen. Man muss also in 40 Wochen das erwirtschaften, was man für ein Jahr – also für 52 Wochen – benötigt.

Was machst Du für Deine Selbstfürsorge?

Gerlinde: Das ist ein sehr wichtiges Thema, da man gerade in der Selbstständigkeit schnell mal in eine Routine hineinrutscht, bei der man zu viel macht und sich nicht mehr richtig abgrenzt. Auch das ist ein Lernprozess. Ich persönlich mache Sport. Joggen, Yoga oder einfach im Wald spazieren gehen.

Ich bin sehr glücklich verheiratet, kann alles mit meinem Ehemann teilen und wir verlieren auch nie den Humor. Das gibt mir auch sehr viel Halt. Zudem gönne ich mir Tage, an denen ich das Handy komplett zur Seite lege und bewusst Digital Detox betreibe.

Wie stellst Du sicher, dass Du in Deinem Fachgebiet immer auf dem Laufenden bleibst?

Gerlinde: Ich versuche, laufend am Ball zu bleiben. Aktuell absolviere ich gerade eine intensive Online-Fortbildung in den USA. Natürlich lese ich Fachliteratur und die Kommentare und Rezensionen dazu. Ich bin in einem Netzwerk mit anderen LogopädInnen, die sich regelmäßig treffen und austauschen.

Wie ich am Anfang des Gesprächs schon erwähnt habe, bin ich sehr neugierig und liebe den immer stärker werdenden interdisziplinären Aspekt bei Fortbildungen. Man kann seine Sichtweise immer mehr erweitern und verändern. Was das Betriebswirtschaftliche angeht, frage ich meinen lieben Alex. Der hält mich da auf dem Laufenden.

Gibt es ein Thema, das Dir wichtig ist, das wir noch nicht angesprochen haben?

Gerlinde: Ein Punkt, der mir spontan einfällt:

Wenn man in einer Partnerschaft lebt, dann muss man eine geplante Selbstständigkeit ausführlich mit dem Partner oder der Partnerin besprechen.

Der Arbeitsaufwand, der mitunter nicht ganz leichte finanzielle Start – das alles sollte klargestellt werden. Wenn sich der Partner da querlegt, dann wird es schwierig.

Wichtig ist auch noch, sich Zeit zu nehmen, um gute Räumlichkeiten zu finden, in denen man sich auch wirklich wohl fühlt. Ich hatte ein riesiges Glück, die Praxis hier direkt am Naschmarkt, gegenüber der U4, mit einem wunderschönen begrünten Innenhof gefunden zu haben. Es ist wichtig, nicht nur an das Funktionale zu denken, sondern an das eigene Wohlbefinden.

Vielen Dank, dass Du Deine Erfahrung mit uns geteilt hast!

Gerlinde: Sehr gerne.

Ich finde es sehr wichtig, dieses Wissen als immaterielles Gut weiterzugeben.

Wo findet man online mehr über Dich und Deine Arbeit?

Gerlinde: Ich habe eine Website unter www.logopaedie-ink.at und man findet mich auf Instagram unter @ink.logopaedie.

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