Die schlechteste Funktion in appointmed (und was wir daraus gelernt haben)

Lesedauer: 5:30 Minuten

Photo by Marcos Paulo Prado

Wie ihr wisst, nehmen wir euch gerne mit hinter die Kulissen von appointmed. Für uns ist ein Unternehmen mehr als nur das Produkt, das es verkauft. Über wenig erfolgreiche Dinge spricht man im „Business“ nicht gerne und Fehlschläge, sowie gescheiterte Projekte, verschwinden in der Versenkung – das machen wir mit diesem Artikel anders…

Das wohl beste Beispiel für ein gescheitertes Projekt sind unsere Bodycharts. Wohlgemerkt, die ursprüngliche Version aus dem Jahr 2018 und nicht die komplett überarbeitete Version, die sich heute großer Beliebtheit erfreut.

Eine Funktion, die so niemand wollte

Ende 2018 sah die Sache allerdings anders aus… Als wir beschlossen haben, Bodycharts in unsere Praxissoftware einzubauen, gab es bereits eine sehr lange Liste von Kunden, die nach genau dieser Funktion gefragt hatten. Das war durchaus verständlich, da die visuelle Dokumentation bis dahin nur schwer durchführbar war. Sie musste nach wie vor mittels Stift und Papier durchgeführt werden. Das entsprach nicht ganz den Ansprüchen, die man an eine „All-in-One“ Softwarelösung stellt.

Der Druck wurde immer größer; das benötigte Zeitfenster für eine saubere Implementierung, aufgrund vieler anderer offener Baustellen leider nicht. So haben wir die unüberlegte Entscheidung getroffen, ein „MVP“ (= Minimum Viable Product; also eine minimal benutzbare Variante) der Funktion in unseren extrem engen Zeitplan zu quetschen. Ohne zuvor Kunden-Feedback einzuholen, mit minimaler Vorbereitungszeit und ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf andere Funktionen von appointmed, haben wir uns also ans Werk gemacht.

MVP Fail

© mhonorato.com

Die erste Version – gibt’s das auch in benutzbar?

Wir hatten nun zwar eine Dokumentationsmöglichkeit mit der Bezeichnung „Bodychart“, allerdings wurde uns innerhalb kürzester Zeit bewusst, dass hier etwas nicht stimmt. Wurde die Funktion laut den internen Statistiken zwar genutzt, so legte doch jeder Kunde nicht mehr als 2-3 Einträge von diesem Typ an. Nach wenigen Tagen ging die Zahl neuer Bodycharts gegen 0. Das war ein eindeutiges Zeichen, dass es hier gravierende Probleme gab. Unsere Kunden wollten die Funktion nach einem ersten Ausprobieren einfach nicht weiter verwenden.

In den darauffolgenden Gesprächen mussten wir feststellen, dass wir eine Funktion eingebaut hatten, die sich zwar ein überwältigender Anteil unserer Kunden gewünscht hat, die aber niemand so wirklich verwenden konnte. Beispielsweise wäre eine freie Zeichenfunktion wichtiger Bestandteil des Features gewesen. Wir hatten also an unseren Kunden vorbei gearbeitet und ihre tatsächlichen Anforderungen komplett ignoriert. Das ist aus Produktsicht ein #Fail auf ganzer Linie.

In den 18 Monaten, die bis zur Überarbeitung der Funktion vergingen, wurden insgesamt nur etwa 2.000 Bodychart-Einträge erstellt. Zum Vergleich: Die Anzahl anderer Doku-Formate liegt mittlerweile im oberen, 6-stelligen Bereich.

„Lange Zeit war dieser Bereich ein Schandfleck in appointmed. Und was die Situation noch schlimmer macht: Es war uns bewusst!“

Wie ihr euch vorstellen könnt, war der Frust bei unseren Kunden groß. Aber nicht nur das! Auch die Stimmung im gesamten Team war angeschlagen. Es wurden hitzige Diskussionen geführt und dauerte Wochen bis wir unseren Rhythmus wieder gefunden hatten. Unsere damalige Arbeitsweise, die von fixen Deadlines geprägt war, ließ leider auch keinerlei Spielraum zu. Es waren schlicht und ergreifend nicht genügend Ressourcen vorhanden, um die Funktion zu überarbeiten, ohne den restlichen Produktplan zu gefährden.

Und so verging Monat um Monat…

Motiviert in die 2. Runde

Eineinhalb Jahre später führten drei Faktoren nun doch (endlich) zur kompletten Überarbeitung und schlussendlich zur neuen Version der Bodycharts, die ihr jetzt in appointmed findet.

Gruppenfoto: Studenten und Professorin der FH St. Pölten mit Paul

Eine Kooperation mit der FH St. Pölten gibt einen wichtigen Impuls für die Verbesserung der Bodycharts.

1. Die Kooperation mit der FH St Pölten

Ein erster „Schubs“ in die richtige Richtung war eine frisch gestartete Kooperation mit der Fachhochschule St. Pölten im Wintersemester 2019.

Paul übernahm hier federführend Koordination zwischen den Studierenden und unserem Produkt-Team. Ein Semester lang sollte eine Gruppe von Studierenden, gemeinsam mit der Studiengangsleiterin, appointmed in ihrer Physiotherapie Ausbildung einsetzen. Das daraus resultierende Feedback sollte wiederum in das Produkt, sowie in eine spezielle „appointmed Education“ Version einfließen.

Wie erwartet, waren die Bodycharts von Anfang an das große Gesprächsthema. Die Studierenden konnten an der aktuellen Funktionsweise nicht viel Mehrwert für das Führen einer sauberen Dokumentation erkennen. Ein großer Teil des gesammelten Feedbacks drehte sich also um eine drastische Verbesserung bzw. Erweiterung dieses Features.

2. Einführung einer flexiblen Arbeitsweise

Unter anderem unsere schlechten Erfahrungen mit dem zu engen Zeitplan und unrealistischen Deadlines während der Entwicklung der ersten Version der Bodycharts, haben zur Einführung einer neuen Arbeitsweise geführt.

Wir wollten nicht länger Monate im Voraus festlegen, wie unser Zeitplan aussehen sollte. So einigte sich das Team darauf, „nur“ noch die nächsten 3 wichtigsten Schritte/Funktionen zu definieren. Je nachdem wie umfangreich die einzelnen Aufgaben sind, kann so ein Entwicklungszyklus wenige Wochen, bis hin zu einem ganzen Quartal andauern. Mehr dazu findet ihr im Jahresrückblick von 2018!

3. Technologische Fortschritte

Zu guter Letzt gab es seit der ersten Version der Bodycharts auch technologische Fortschritte. Diese erlaubten nun zB die native Eingabe bzw. das Zeichnen mit einem Smart-Pen (wie den Apple Pencil) direkt im Webbrowser. Das Rad musste also glücklicherweise nicht neu erfunden werden, was die technische Hemmschwelle, diese Funktion nun endlich in Angriff zu nehmen, deutlich senkte.

Das Arbeiten mit appointmed auf einem iPad Pro, inklusive der Verwendung eines Pencils und des neuen Magic Keyboards, ist für mich persönlich übrigens ein absolutes Highlight.

Die Umsetzung der “Bodycharts Neu”

Nach dem initialen Feedback der Projektteilnehmer an der FH St. Pölten, ging es für mich an die Arbeit. Es wurden erste, grobe Konzept ausgearbeitet, verschiedene Design- und Layout-Varianten durchgespielt, die technischen Möglichkeiten evaluiert und Treffen mit Kunden vereinbart, um unseren Fortschritt und die neuen Ideen zu besprechen.

Der letzte Punkt ist für uns mittlerweile essentieller Bestandteil in der Entwicklung. Noch bevor eine einzige Zeile Code geschrieben wird, können wir so anhand von Entwürfen und Design-Prototypen prüfen, ob eine Funktion in die richtige Richtung geht. Findet sich ein User auf einem Entwurf nicht zurecht, so wird er es auch später in der tatsächlichen Anwendung schwer haben.

Evaluieren → Präsentieren → Diskutieren → Iterieren.
Das ist der Weg zu guter und anwenderfreundlicher Software.

Das Ergebnis, wie es von Anfang an hätte sein sollen

Einige Wochen später, also kurz nach Weihnachten 2019, war das Konzept schlussendlich finalisiert. Das Design, sowie die Funktionsweise wurden ausführlich beschrieben und schließlich an Bernhard und Christopher zur Implementierung übergeben. Es folgte die Programmierung und intensives Testing durch unsere in-House Qualitätssicherung.

Arbeitspakete der neuen Bodycharts

Die Funktionsweise der neuen Bodycharts wurde in Arbeitspaketen formuliert und umgesetzt.

In den ersten Tagen nach dem Release der neuen Version der Bodycharts, wurden bereits hunderte Einträge angelegt. Viele potentielle Kunden, die wir in der Vergangenheit nicht von appointmed überzeugen konnten, kamen über die Ankündigung im Newsletter, auf unserer Website und in den Social Media Kanälen wieder auf uns zurück.

Ein ehemaliger Schandfleck ist nun eines der größten Aushängeschilder für unser Produkt.

appointmed Bodycharts am iPad Pro mit Apple Pencil

Das iPad Pro mit Apple Pencil ermöglicht modernstes Arbeiten mit den neuen, interaktiven Bodycharts


Eine teure aber sehr wichtige Lektion

Wir haben bei diesem Projekt feststellen müssen, wie schmerzhaft es ist, einen wichtigen Schritt bei der Produktentwicklung auszulassen: Die Einbindung von euch, unseren Kunden. Ihr seid es, die tagtäglich mit appointmed arbeitet und euch zurecht von uns erwartet, dass wir eure Anforderungen verstehen und euch bestmöglich bei der Arbeit unterstützen.

Mit dem Gedanken, vermeintlich Zeit bei der Entwicklung zu sparen und eine neue Funktion schnell in die Anwendung quetschen zu können, haben wir schlussendlich die Zeit von allen Beteiligten verschwendet. Das wird uns kein zweites Mal passieren – Lesson learned!

Das Endresultat unserer gemeinsamen Reise in diesem Artikel könnt ihr euch natürlich auch im Detail ansehen: Die neuen, verbesserten appointmed Bodycharts.

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Das klingt super, ich möchte appointmed testen!

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