Erfolgreich als Ernährungsberaterin (mit Andrea Kasper-Füchsl)

Genussvoll die Welt retten
Das ist nicht nur das Motto des Talks mit Diätologin Andrea Kasper-Füchsl, sondern auch der Titel ihres Kochbuchs. Einer von vielen Wegen, mit denen die Oberösterreicherin mit über 20 Jahren Berufserfahrung die große Leidenschaft für ihr Fach nach außen trägt. Spezialisiert hat sich Andrea auf die Prävention, speziell im Bereich betriebliche Gesundheitsvorsorge und die Behandlung von Adipositas. Im Interview erzählt sie, warum die Arbeit im Krankenhaus so gar nicht das ihre war, was für sie persönlich beruflicher Erfolg bedeutet und warum man, gerade als Neueinsteiger, keine Angst vor der Konkurrenz haben sollte.
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Hallo Andrea! Stell Dich unseren HörerInnen bitte erst einmal vor.
Ich bin Andrea, komme aus dem schönen Mühlviertel in Oberösterreich, bin verheiratet und habe zwei Kinder. Seit nunmehr 20 Jahren bin ich Diätologin mit zwei Praxisstandorten in St. Martin im Mühlkreis sowie in Linz und mache meinen Beruf noch genauso gern wie am ersten Tag.
Wie bist Du zu Deinem Beruf – oder besser – zu Deiner Berufung gekommen?
Da gab es mehrere ausschlaggebende Punkte. Ich habe eine HLW mit Koch- und Ernährungsschwerpunkt besucht und hatte eine sehr gute Ernährungslehre-Lehrerin. Sie hat mich einfach begeistert. Dann war ich zu Gast bei meinem Onkel in Innsbruck und wir sind beim AMS vorbei spaziert. Es wurde Werbung für einen Test gemacht, bei dem man herausfinden konnte, für welchen Beruf man am besten geeignet ist. Mein Onkel meinte: „Da gehen wir rein, das machen wir.“
Bei dem Test ist herausgekommen, dass der Beruf der Diätologin zu mir und meinen Qualifikationen passen würde. Das habe ich mir daraufhin näher angeschaut und bin prompt bei der Ausbildung dafür aufgenommen worden.
Nach meiner Ausbildung, die ich 2004 abgeschlossen habe, habe ich mich sofort freiberuflich gemeldet. Allerdings habe ich dann doch für ein paar Monate in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet – nicht, weil ich das wollte, sondern weil ich mich praktisch überreden ließ. Viele Menschen in meinem Umfeld – abgesehen von meiner direkten Familie – meinten, man könne nicht sofort freiberuflich arbeiten. Man müsse erst Erfahrung sammeln. Nachdem ich das zum zwanzigsten Mal gehört hatte, dachte ich mir: „Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll.“
Ich arbeitete dann fünf Monate im Krankenhaus, aber das war überhaupt nichts für mich, obwohl ich wirklich sehr nette KollegInnen hatte. Es passte einfach nicht zu meinem Verständnis davon, wie ich meinen Beruf ausüben möchte. Danach habe ich gesagt: „Okay, das habe ich jetzt abgehakt, ich brauche das nicht mehr.“
Seitdem arbeite ich nur noch freiberuflich. Das ist genau das, was mir bis heute am meisten Freude bereitet.
Kannst Du Dich an eine konkrete Situation erinnern, Die Dir gezeigt hat, dass die Freiberuflichkeit besser zu Dir passt?
Das waren mehrere Situationen. Wenn man eine Beratung im Krankenhaus hat, dann ist diese nicht unbedingt immer freiwillig vonseiten der PatientInnen. Das heißt, es sagt vielleicht jemand: „Du solltest das machen“ oder „Jetzt hast Du einen Termin mit der Diätologin“ – und dann macht man das halt. Aber die Entscheidung, ob diese PatientInnen das auch wirklich möchten, können sie in vielen Situationen gar nicht wirklich selbstständig treffen. Das ist nicht die Art, wie ich arbeiten möchte.
Ich möchte, dass die Personen freiwillig zu mir kommen, mit einem echten Wunsch nach Veränderung.
Das macht das Arbeiten nicht nur einfacher, sondern ermöglicht es mir auch, eine langfristige Beziehung zu meinen PatientInnen aufzubauen. Meine Hochachtung an die KollegInnen in den Krankenhäusern, die es dennoch schaffen, die PatientInnen zu motivieren, die Beratung anzunehmen und umzusetzen.
Hast Du Dir damals parallel die Selbstständigkeit aufgebaut oder bist Du einfach ins kalte Wasser gesprungen?
Ich habe das parallel gemacht. Ich war zu diesem Zeitpunkt eine der wenigen DiätologInnen in Linz. Das muss man sich vorstellen: In einer großen Stadt wie Linz gab es vielleicht noch zwei, drei andere in meiner Fachrichtung! Ich habe das Angestelltenverhältnis gewechselt, Teilzeit in einer Softwarefirma gearbeitet und mir parallel die Freiberuflichkeit aufgebaut. In der Firma war ich für First-Level-Support und Buchhaltung verantwortlich. Also Dinge, die ich in der Selbstständigkeit brauchen kann, konnte ich dort sozusagen im geschützten Rahmen ausprobieren und lernen und der Umgang mit Menschen liegt mir sowieso.
Über diese Anstellung habe ich dann auch meine erste Gemeinschaftspraxis gefunden – die war nämlich im gleichen Gebäude. So habe ich Anschluss an PhysiotherapeutInnen und SportwissenschaftlerInnen gefunden, habe mich dort eingemietet und meine Freiberuflichkeit laufend weiter aufgebaut. Das war wirklich ein toller Start. Eine gute Fügung – so etwas braucht man hin und wieder im Leben.
Wie lange hat es dann gedauert, bis Du Dich 100 Prozent selbstständig gemacht hast?
Ungefähr sechs bis acht Jahre. Man muss aber dazu sagen, dass ich mich in der Zeit auch privat verändert habe. Wir haben ein Haus gebaut und ich habe zwei Kinder bekommen – da konnte ich also nur zeitlich eingeschränkt arbeiten. Als ich die Kinder hatte, war für mich auch klar, dass ich nur noch freiberuflich arbeiten möchte. In der ersten Phase kann man ohnehin nicht 40 Stunden arbeiten und die Freiberuflichkeit hat dann nach der Auflösung meiner Anstellung auch gleich gut funktioniert.
Wie sieht mittlerweile ein typischer Arbeitstagg bei Dir aus?
Ich habe keinen typischen Arbeitsalltag und das ist genau das, was ich mag.
Natürlich gibt es gewisse wiederkehrende Aufgaben, wie in jedem Beruf, aber mein Tag startet normalerweise – wenn Schulalltag ist und meine Kinder in die Schule gehen – gegen 07:00 Uhr mit einem Spaziergang. Ich bin ein Morgenmensch. Das ist meine Zeit, um den Kopf freizubekommen, ein wenig zu sortieren, was heute alles ansteht, und mich mental vorzubereiten. Danach sitze ich viel, daher möchte ich mich vorher schon bewegen.
Nach diesem Spaziergang setze ich mich hin, beantworte die ersten E-Mails und takte mich für den Tag ein. Je nachdem, ob ich Beratungen habe, startet dieser Teil meines Tages meist um 08:30 oder 09:00 Uhr und geht bis zum Mittagessen. Das Dokumentieren fällt mir dank appointmed mittlerweile viel leichter. Es bedeutet weniger Arbeitsaufwand, geht schneller und alles ist genau dort, wo es hingehört.
Wenn ich zum Beispiel Firmenprojekte habe, beginnt mein Tag meist direkt früh morgens. Dann fahre ich in die Firma und starte dort meinen Arbeitstag. Jeder Tag ist anders.
Die Selbstständigkeit erfordert natürlich ein gewisses Maß an Organisation. Würdest du dich selbst als organisiert und strukturiert bezeichnen?
Ich bin ein sehr organisierter Mensch – das war ich schon immer. Ich komme aus einer Familie von Selbstständigen, das heißt, mein Vater und meine Mutter haben selbst eine Firma aufgebaut. Wir Kinder waren da mittendrin und haben das hautnah miterlebt. Ich mag es, wenn es einen gewissen Ablauf gibt und ich meinen Tag so planen kann, dass am Abend alle Punkte geschafft sind.
Es gibt ja niemanden, der mir auf die Schulter klopft und fragt, ob ich alle Punkte erledigt habe. Das ist mit den Kindern natürlich noch intensiver geworden, da ich jetzt noch weniger Zeit zur Verfügung habe, die Dinge aber trotzdem gut erledigen möchte.
Du bist selbstständig, veranstaltest Workshops, hältst Vorträge und hast ein eigenes Kochbuch herausgebracht. Wie bist Du zu diesem umfangreichen Portfolio gekommen?
Zu Beginn habe ich mich selbst damit auseinandergesetzt, welche Themenbereiche ich gerne abdecken möchte. Unsere Ausbildung ist sehr, sehr vielfältig. Wir dürfen sowohl mit gesunden als auch mit kranken Menschen arbeiten – das umfasst ein riesiges Portfolio. Das habe ich von Anfang an gewusst, und mir war klar: Das möchte ich eigentlich gar nicht. Gewisse Themenbereiche haben mich schon in der Ausbildung weniger interessiert, deshalb habe ich sie von Anfang an ausgeschlossen.
Ich habe mir gezielt gewisse Themenbereiche herausgepickt, hineingeschnuppert und ausprobiert. Wenn mir etwas gefallen hat, habe ich mich intensiver damit beschäftigt. Wenn ich gemerkt habe: „Okay, das ist nicht so mein Thema“, habe ich es gelassen und gezielt KollegInnen gesucht, die diesen Bereich abdecken können. So konnte ich PatientInnen weitervermitteln, wenn Bedarf in diesen Bereichen bestand.
Mir war es immer wichtig, keinen kompletten Bauchladen an Möglichkeiten anzubieten, denn meiner Meinung nach kann man nicht in allem gut sein.
Am Anfang ist man schnell dazu verleitet, alles anzubieten, weil man aus der Ausbildung heraus das Gefühl hat, alles zu wissen. In der Praxis kristallisieren sich dann aber relativ schnell die eigenen Schwerpunkte heraus. Bei mir war von Anfang an die Prävention mit Gesundheitsprojekten in Firmen ein sehr wichtiger Bereich. Des Weiteren hat mich der Bereich Adipositas, also das Thema Übergewicht, immer stark angezogen.
Zu Beginn meiner Ausbildung – das ist jetzt bitte 20 Jahre her – hat man uns gesagt: „Es wird nicht mehr lange dauern, dann kommt die Beratung auf Krankenschein.“ Jetzt sind 20 Jahre vergangen, und das ist immer noch nicht der Fall. Menschen, die wirklich unter starkem Übergewicht oder Adipositas leiden, brauchen Betreuung, bekommen diese aber nicht refundiert. Deshalb habe ich mir verschiedene Programme angesehen und auch mitgearbeitet, um herauszufinden, wie man diese Menschen unterstützen kann. Das hat mich immer fasziniert, und das ist bis heute so.
Wie finden Dich Deine KlientInnen? Hast du spezielle Tipps und Tricks, die bei Dir gut funktioniert haben?
Natürlich über meine Website, wo man sich über meine Leistungen informieren kann, aber die meisten PatientInnen kommen über Mundpropaganda. Ich bin schon sehr lange Diätologin, also quasi ein alter Hase. Es gibt viele Artikel mit mir, es gibt Veranstaltungen, bei denen bei mir angefragt wird und ich arbeite in meinem Umkreis auch gerne mit HausärztInnen zusammen, die mir PatientInnen weiterschicken. Diese Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt und ist mir sehr wichtig.
Bei Firmenprojekten ist es so, dass es immer wieder Weiterempfehlungen gibt und auf Netzwerktreffen auf mich und die Zusammenarbeit mit mir verwiesen wird. Das freut mich immer besonders, wenn ich in diesem Bereich weiterempfohlen werde und dann neue Projekte übernehmen kann.
Was bedeutet für Dich persönlich beruflicher Erfolg?
Über diese Frage denke ich schon sehr lange nach. Das ist gar nicht so einfach zu definieren.
Erfolg ist für mich, wenn ich meine Arbeit gut mache, meine PatientInnen gut betreue und meinem Gegenüber etwas mitgeben kann.
Gleichzeitig ist Erfolg aber auch, wenn ich meinen Beruf gut mit meiner Familie kombinieren kann, ohne dass ich persönlich am Ende auf der Strecke bleibe. Das ist das Meisterziel, das ich leider nicht immer gut erreichen kann. Natürlich möchte ich auch gut von meinem Beruf leben können, aber als richtig erfolgreich empfinde ich mich, wenn ich die genannten Punkte unter einen Hut bringen kann.
Als Kochbuchautorin: Welche Zutaten braucht es für die erfolgreiche Selbstständigkeit?
Für mich hat es sich als erfolgreich erwiesen, ein breites Spektrum an Angeboten zu schaffen. Nicht so sehr von den Themen her, sondern von den Möglichkeiten, wie man die eigene Gesundheit fördern kann. So finden die PatientInnen auf unterschiedlichen Wegen zu mir – ob das jetzt jemand ist, der mich bei einem Firmenprojekt kennengelernt hat, bei einem Vortrag beim Projekt „Gesunde Gemeinde“ oder durch mein Kochbuch„Genussvoll die Welt retten“.
Dieses Buch war beispielsweise schon lange ein Traum von mir und schließlich war die Corona-Pandemie dann der ausschlaggebende Punkt, mir diesen zu erfüllen und das Spektrum zu erweitern. Ein breites Spektrum zu haben, macht es einfacher, den Beruf auszuführen und er bleibt so auch immer spannend. Der Tag, an dem ich meine Arbeit nicht mehr mit Freude ausüben kann, ist der Tag, an dem ich mir etwas anderes überlegen muss.
Gibt es etwas, das Du rückblickend anders machen würdest?
Das ist schwierig zu sagen, denn man macht ja auch in Situationen, die nicht so schön sind, mitunter wertvolle Erfahrungen. Ich würde beispielsweise auch die Anstellung im Krankenhaus nicht missen wollen, denn ich war mir dann ganz sicher, dass ich das nicht will. Oft ist es schwierig zu sagen, was man will. Da ist es hilfreich, zu erkennen, was man nicht will.
Mir ist es früher schwer gefallen, mich abzugrenzen und Nein zu sagen. Am Anfang denkt man, man muss jedes Projekt annehmen, sonst entgeht einem etwas. Das würde ich nicht mehr machen, weil es einfach sehr schwierig ist, Projekte, die einem nicht liegen, zu Ende zu bringen oder mit Personen zusammenzuarbeiten, mit denen man nicht gut kann.
Nein sagen zu können, bringt einfach ein Stück weit die Lebenserfahrung mit sich.
Wichtig ist nur, was du selbst willst, nicht was irgendjemand anderes denkt. Dieses Selbstbewusstsein ist wichtig in der Freiberuflichkeit, damit man sich selbst nicht verliert.
Apropos „bei sich selbst bleiben“: Was machst Du für Deine eigene Selbstfürsorge?
Wenn mir zu viele Gedanken im Kopf herumgehen, dann höre ich Hörbücher. Normalerweise lese ich sehr gerne, aber aufgrund der Bildschirmarbeit tagsüber fällt mir das Lesen abends oftmals schwer. Dann höre ich gerne Hörbücher, Podcasts usw. Ich habe zudem wieder angefangen, Klavier zu spielen und was sich mit meinem Beruf sehr gut verbinden lässt: Ich koche und esse sehr gerne.
Wie schaffst Du es, in Deinem Fachgebiet immer auf dem neuesten Stand zu bleiben?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich mache sehr viele Fortbildungen, in den letzten Jahren auch viele online. Das hat Corona an Positivem mit sich gebracht. Diese Online-Angebote finde ich super, vor allem als jemand, der nicht in einer großen Stadt lebt, sondern im Mühlviertel, wo das Angebot an Fortbildungen in meiner Nähe sehr gering ausfällt.
Auf diesem Online-Weg konnte ich zahlreiche Fortbildungen abschließen und lasse mich auch immer vom Verband der DiätologInnen zertifizieren. Dort gibt es das MCD-Zertifikat und ich bin so fleißig unterwegs, dass ich auch immer das Plus-Zertifikat bekomme. Das sind 120 Stunden Fortbildung in fünf Jahren. Das schaffe ich locker. Ich nutze die Fortbildungszeit auch aktiv, um mit KollegInnen in Kontakt zu kommen, mich zu vernetzen und auszutauschen. Vor allem, da ich in der Freiberuflichkeit niemanden neben mir habe, mit dem ich mich tagsüber austauschen oder mal einen Kaffee trinken und fragen kann: „Wie siehst du dieses Thema?“
Als ich mich selbstständig gemacht habe, waren wir eine Gruppe von drei, vier KollegInnen, die zeitgleich freiberuflich gestartet sind. Wir haben uns zusammengetan und es ist jetzt noch so, dass ich ihnen Fragen stelle oder ihre Meinung einhole. Dieser Austausch ist sehr wichtig und wertvoll. Es entsteht eine tiefe Vertrauensbasis, obwohl wir ja auch KonkurentInnen sind. Das ist auch ein wichtiger Punkt, den man als NeueinsteigerIn wissen muss:
Konkurrenz ist super, denn das belebt das Geschäft und man wird selbst besser dadurch.
Das ist nichts, was man fürchten sollte. Man sollte es vielmehr nutzen, um von anderen Menschen zu lernen und um zu sehen, was bereits jemand anderes gut abdeckt und man selbst nicht ins Portfolio aufnehmen muss.
Verrate uns doch zum Abschluss noch, wo man mehr über Dich und Deine Arbeit erfährt.
Am einfachsten über meine Website proernaehrung.at. Wer mehr über mich und meine Kocherfahrungen nachlesen möchte, dem empfehle ich mein Kochbuch„Genussvoll die Welt retten“. Darin findet man vegetarische und vegane Rezepte für jede Jahreszeit. Einfache Gerichte, die super aussehen und super schmecken. Zudem findet man mich auch auf Instagram und LinkedIn.