Vom Profisportler zum erfolgreichen Sportphysiotherapeuten (mit Stefan Holzinger)
Schon mit zwölf wusste Stefan Holzinger, dass er Physiotherapeut werden will. Heute führt er eine Praxis und blickt auf eine spannende Laufbahn als Leistungssportler zurück. Im Gespräch verrät er, wie er den Sprung in die Selbstständigkeit schaffte und warum wirtschaftliche Basis und Leidenschaft entscheidend sind.

Vom Leistungssport zur Physiotherapie
Stefan Holzinger hat sein Leben ganz dem Sport gewidmet – ob als Athlet oder als Physiotherapeut. Als er mit zwölf Jahren aufgrund seiner Trichterbrust in physiotherapeutische Behandlung muss, weiß er: „Das will ich auch einmal machen.“ Auch 13 Jahre Training als Leistungssportler beim American Football bringen ihn immer wieder zur Physiotherapie, was den Berufswunsch nur weiter verstärkt. Mittlerweile ist er als selbstständiger Therapeut im Bereich Sportphysiotherapie in Wien tätig. Im Gespräch erzählt er von seinem persönlichen Weg, warum eine gute wirtschaftliche und organisatorische Basis so wichtig ist und welche wichtigen Learnings er aus dem Leistungssport ins Berufsleben mitgenommen hat.
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Hallo Stefan! Schön, dass Du heute bei uns im Podcast bist. Stell Dich bitte erstmal kurz vor.
Gerne! Ich bin Stefan Holzinger und bin momentan in Wien mit einer kleinen Praxis selbstständig tätig. Davor war ich als Physiotherapeut im Leistungssport tätig und wiederum davor selbst als Leistungssportler im Bereich American Football. Ich habe für die Vienna Vikings gespielt und konnte mit meinem Team auch europäische Titel holen. Ich wollte bereits mit zwölf Jahren Physiotherapeut werden. Ich habe diesen Traum also bereits jetzt erreicht.
Wie kommt man mit zwölf Jahren drauf, Physiotherapeut werden zu wollen?
Ich habe eine Trichterbrust. Für alle, die nicht wissen, was das ist: Dabei wölbt sich der Brustkorb vorne ein bisschen nach innen. Das gibt es auch in die andere Richtung und nennt sich dann Keilbrust. Ich bin deshalb bereits mit zwölf Jahren zur Physiotherapie gegangen und aufgrund von American Football war ich später leider auch sehr oft in der Physiotherapie. Ich habe mir von Anfang an gedacht: „Das ist ein cooler Job.” Man arbeitet mit Menschen im Bereich Sport, es hat Verbindung zur Medizin und so wusste ich schon mit zwölf, dass mir das taugt.
Adela: Hast Du schon früh mit American Football begonnen?
Ja, ich habe mit zehn Jahren angefangen, zu spielen. Ich wollte unbedingt einen Vereinssport machen und hatte zunächst an Fußball gedacht. Da waren allerdings meine Eltern dagegen, weil es da so viele Spiele zu absolvieren galt, und das wollten sie sich nicht antun. Irgendwann habe ich dann den Super Bowl im Fernsehen gesehen und meinte: „Das würde ich auch gern machen.” So habe ich begonnen, American Football zu spielen, und meine Mutter hat auch hier darauf geachtet, dass ich nicht zu viele Spiele absolviere.
Adela: In Deiner Biografie habe ich gesehen, dass Du auch sehr lange professionell Football gespielt hast...
Im europäischen Setting kann man Football nicht wirklich professionell spielen, vor allem nicht zu der Zeit, als ich gespielt habe. Ich würde also eher sagen: semi-professionell, sprich vom Arbeitsaufwand wie ein Profi, aber ohne Geld. Wir haben vier- bis fünfmal die Woche trainiert, über das ganze Jahr hinweg, und hatten dann 14–15 Spiele in der Saison im Frühjahr.
Du warst Deine gesamte Schulzeit auf hohem Niveau und mit viel zeitlichem Aufwand sportlich tätig. Wie war es für Dich, als es dann Zeit war, einen beruflichen Weg einzuschlagen?
Tatsächlich habe ich aufgehört, Football zu spielen, als ich mit dem Studium fertig geworden bin. Ich habe also die komplette Ausbildungszeit gespielt, immer mit Training nach den Unterrichtseinheiten. Nach dem Studienabschluss habe ich dann beschlossen, mich ganz auf die Physiotherapie zu konzentrieren. Ich habe damals auch ein Jobangebot aus Salzburg bekommen, wo ich als junger Physio direkt im Leistungssport, genauer gesagt beim Eishockey, arbeiten konnte. Das war eine Chance, bei der ich klar wusste: Hier stelle ich meine eigene sportliche Karriere jetzt hinten an.
Welche Erfahrungen hast Du aus Deiner sportlichen Karriere in Deinen Job mitgenommen?
Im Zuge meiner sportlichen Karriere habe ich – denke ich – gut gelernt, mir Ziele zu setzen und diese beständig zu verfolgen.
Egal, wer oder was dazwischenfunkt oder welche Steine im Weg sind – das Ziel wird nicht aus den Augen gelassen, auch wenn es sich vielleicht kurzzeitig weiter weg bewegt. Man muss einfach ehrgeizig sein und dranbleiben. Auch ein gutes Zeitmanagement war natürlich mit Schule, Studium und Sport immer ein großes Thema. Ich habe während meiner Ausbildung öfter gehört: „Das ist ein Vollzeitstudium, da muss der Sport hinten angestellt werden.” Ich habe aber trotzdem alles irgendwie durchgebracht.
Von meiner Arbeit im Leistungssport habe ich zum einen auch gelernt, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird, zum anderen hat es mir einfach eine große Vielfalt an Wissen eingebracht. Dass Dir alles Geld der Welt nichts bringt, wenn Du nicht weißt, wie Du es richtig nutzt, oder auch den Stellenwert von Ausbildungen. Man muss nicht auf jeden Blödsinn aufspringen, sondern sollte auf Qualität achten.
Was genau meinst Du damit, dass im Sportphysiotherapie-Bereich auch nur mit Wasser gekocht wird?
Viele PatientInnen kommen mit konkreten Zielen und trainieren fünf Tage die Woche. Ich muss ihnen dann klarmachen: „Leistungssportler trainieren nur vier Tage die Woche. Warum sind es bei dir fünf?” Man wird nicht während des Trainings besser, sondern während der Regeneration. Ich setze während des Trainings nur die Reize, die dann eine Adaption im Körper anregen. Aber die Regeneration ist das riesige Thema. Das ist für Physios im Leistungssport ein sehr großer Arbeitsbereich.
Das hört sich so an, als ob Du neben Deiner therapeutischen Arbeit auch viel Aufklärungsarbeit leistest.
Ja, es ist auch ein großes Thema für viele junge TherapeutInnen, die in den Leistungssport gehen wollen.
Es gibt Sportphysiotherapie und Physiotherapie im Sport. Das sind sehr unterschiedliche Welten.
Bei ersterem nutze ich Sport als Therapieform. Bei der Physiotherapie im Sport geht es auch um Datenanalyse oder um Excel-Tabellen, in die man die Trainingsbelastungen einträgt. Es geht darum, zu schauen, dass die Mannschaft eine bestimmte Salbe schmiert, weil eine virale Hautkrankheit umgeht. Du bist rund um die Uhr bei der Sportmannschaft und übernimmst viele Aufgaben, die über die Physiotherapie hinausgehen.
Über die Heilung hinaus steht ja auch das Halten bzw. die Steigerung der Performance im Vordergrund.
Ja, wenn ein Physiotherapeut, der bei einer Sportmannschaft angestellt ist, gut ist, dann hat er eigentlich „nichts zu tun”. Es sieht immer so aus, als würde er sich gemütlich zurücklehnen, weil er einfach präventiv mit seiner Arbeit alles vermieden hat, was zu Verletzungen führen könnte. Das kann auch in einer Mannschaft immer wieder zu Konflikten führen, weil es dann heißt: „Wieso machst Du nichts?”
Was viele nicht sehen, ist die Arbeit am Computer. Durch Datenanalyse mit neuen GPS-Systemen, Force-Velocity-Profiling im Krafttraining, Sprungtestungen oder auch einfachen Laktatmessungen bekomme ich sehr viele Informationen, die ich aber eben auch verarbeiten muss. So kann ich aber einem Athleten oder einer Athletin auch vorzeitig sagen: „Geh heute nur einmal trainieren.” Bei mir war es ja der Bereich Eishockey. Ich empfehle dann also nur eine Session auf dem Eis und spreche mit dem Trainer ab, welche von den Sessions am besten passt.
Die Zusammenarbeit mit dem Trainer und dem Team ist hier ein wichtiger Teil, was man als kleiner Physio in der Praxis so auch nicht hat. Als Sportphysiotherapeut, wo ich mit Privatpersonen arbeite, ist auch die Zielsetzung anders und nicht rein auf Performance und Leistungssteigerung fokussiert.
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Wie viel Prozent Deiner PatientInnen sind LeistungssportlerInnen?
Da ist immer die Frage, wie man Leistungssport abgrenzt. Ich würde sagen, etwa 20 Prozent sind LeistungssportlerInnen. Also 80 Prozent meiner PatientInnen betreiben keinen Leistungssport. Nur von LeistungssportlerInnen könnte ich als kleiner Physio nicht leben. Dafür braucht man ein großes Netzwerk mit vielen Vereinen. Das heißt aber auch, dass man mit dem Verein sehr viel interagieren muss, und dafür fehlen einem als einzelner Physiotherapeut ehrlich gesagt einfach die zeitlichen Ressourcen.
Das Arbeiten mit PatientInnen ohne Vereinszugehörigkeit ist für Dich als Physio also einfacher?
Ja, ich kann definitiv besser mit meinen PatientInnen planen, als das der Fall wäre, wenn sie im Leistungssport wären. Der Druck von LeistungssportlerInnen ist natürlich immer groß. Du musst möglichst schnell wieder da und fit sein und hast den Trainer oder die Trainerin im Hintergrund, der/die Druck macht. Es muss mehr oder weniger alles schnell gehen.
Das ist natürlich bei Hobby-SportlerInnen deutlich reduzierter. Wenn ich da jemanden habe, der mir sagt, dass er im kommenden Jahr wieder einen Marathon laufen möchte, dann habe ich eben ein Jahr Zeit. Wenn ich ihm dann mitteile, dass es sich in der Zeit nicht ausgehen wird, dann sagt er „Schade” und wir suchen uns ein neues Ziel, auf das wir hinarbeiten können.
Bei LeistungssportlerInnen geht es darum, dass sie im nächsten Jahr einen Vertragsabschluss haben. Viele haben sehr viel dafür geopfert und beispielsweise schulisch nur das Minimum gemacht. Da wäre es ein großer Einschnitt im Leben, wenn sie den Vertrag nicht bekommen.
War für Dich immer klar, dass Du in die Selbstständigkeit gehen möchtest, oder kam auch eine Anstellung in Frage?
Ich wurde damals zwei Wochen vor meiner Abschlussprüfung beim Studium von Red Bull für ihre Nachwuchsakademie angefragt. Die wurde damals noch gebaut, die Anfrage kam also ein halbes Jahr im Voraus. Ich hatte also nach Studienabschluss gut sechs Monate Zeit, die ich überbrücken musste. Ich habe dann zwei Monate angestellt bei der Therme Wien gearbeitet und habe klipp und klar beschlossen: „Nein, das ist kein Arbeiten, wie ich es machen will.”
PatientInnen am Fließband und nach fünf PatientInnen verliert man schon die Lust. Man hat einfach keine Energieressourcen mehr. Der Kopf ist eine Nulllinie.
Ich bin dann nach der Probezeit bereits weggegangen und zum Glück schnell in der Wiener Privatklinik untergekommen. Dort habe ich dann auch noch das klinische Setting kennengelernt. Es hat mir überraschend viel Spaß gemacht, dort zu arbeiten, und ich konnte einiges rausholen aus der Zeit. Man darf sich einfach nicht unterkriegen lassen von bestehenden Abläufen. Wir waren ein sehr junges Team, hatten unheimlich viel Spaß zusammen und konnten den PatientInnen mehr als nur Gangmobilisation mitgeben. Von dort bin ich dann direkt zum EC Red Bull Salzburg gegangen, habe aber auch schon während der Zeit in der Wiener Privatklinik ein wenig selbstständig nebenbei gearbeitet.
Adela: Du hast also Schritt für Schritt im Hintergrund daran gearbeitet, damit du langfristig unabhängig und selbstständig arbeiten kannst.
Genau, das Ziel war eigentlich immer, in einer kleinen Praxis zu arbeiten. Ich habe mich auch nie in einer großen Praxisgemeinschaft gesehen. Als mit zwölf Jahren der Wunsch aufkam, habe ich die Arbeit in dieser Version kennengelernt und mir deshalb diese Ziele gesetzt. Ich bin auch heute nicht so sehr der Physio-Teamplayer. Jeder, der mit mir gearbeitet hat, weiß, dass ich eher ein Lonely Wolf bin, was das angeht.
Fehlt Dir als „Lonely Wolf“ manchmal der Austausch mit KollegInnen?
Man geht ja auf Kongresse und ich rufe auch mal meinen alten Arbeitskollegen an, allerdings eher aus dem sozialen Kontext. Seltener aus fachlichen Gründen, obwohl man natürlich dann auch über das Fachliche spricht. Bei mir ist die Arbeit sehr eng mit dem Privatleben verbunden. Ich bin Physiotherapeut, meine Frau ist Physiotherapeutin, wir haben einen großen Freundeskreis, bei dem auch viele Physios mit dabei sind.
Gibt es rückblickend auf Deine bisherige Karriere etwas, das Du heute anders machen würdest?
Für den ein oder anderen Kurs hätte ich mir das Geld sparen können. Gerade auf der Fortbildungsebene gibt es auch viel Blödsinn. Man darf nicht vergessen, dass auch die Fortbildungsinstitute Geld verdienen wollen. Da sollte man sich nicht von irgendwelchen großen Konzepten ableiten lassen, sondern bei den Basics bleiben. Zuerst einmal die Physiologie, die Trainingslehre und die Neuroanatomie gut verstehen. Es reicht, wenn man sich da gut einarbeitet und die Dinge gut vernetzt. Es gab Kurse, da dachte ich mir nach der dritten Einheit: „Oh Gott, wo bin ich hier und wie kriege ich mein Geld zurück?” Ich schaue jetzt einfach viel genauer hin, sehe mir an, wer den Kurs gibt, und halte auch international nach Weiterbildungen Ausschau.
Rein geschichtlich hat sich die Physiotherapie im deutschsprachigen Raum ganz anders entwickelt als im angloamerikanischen. Das Physiotherapie-Studium dauert dort um die sechs Jahre, bei uns sind es nur drei Jahre. Es lohnt sich also, über den Tellerrand hinauszublicken.
Das war auch eine tolle Erfahrung, im Zuge meiner Tätigkeit als Physiotherapeut im Leistungssport, dass ich ein gutes Budget für Fortbildungen hatte. Ich habe mir herausgesucht, wer international die Nummer 1 zu einem bestimmten Thema ist. Das mache ich auch heute noch so. Ich recherchiere, wer diese eine Person ist, von der alle reden. Es gibt immer eine Koryphäe, bei der man dann versucht, direkt das Wissen „abzusaugen”.
Erinnerst Du Dich an eine Top-Fortbildung, bei der Du Dich über die Grenzen Österreichs hinaus weitergebildet hast?
Das war wohl das Sportphysiotherapie-Programm des Internationalen Olympischen Komitees. Schweineteuer – musste ich zum Glück nicht selbst bezahlen – aber da hast Du dann eben diese Koryphäen, die Fortbildungen geben. Am Anfang ist es etwas wirr, denn wenn viele Menschen mit viel Wissen zusammenkommen, hört man natürlich auch mal gegenläufige Meinungen. Aber langfristig gesehen nimmt man einfach auch die Denkweise dieser Leute mit. Das hat mir sehr geholfen. Stick to the basics. Ich muss einfach herausfinden, wo das Problem liegt, und es dann anhand der physiologischen Grundgesetze behandeln.
Wie lange bist Du jetzt bereits selbstständig tätig?
Komplett selbstständig bin ich seit Sommer 2024. Davor habe ich noch bei Leistungssport Austria gearbeitet und hatte eine Lehrtätigkeit an der FH Campus Wien. Diese Anstellungen habe ich zum einen für meinen Hauskredit gebraucht und zum anderen habe ich dort sehr gerne gearbeitet. Letzten Sommer habe ich mich dann entschieden, mehr zu Hause zu sein, zum einen, weil es wirtschaftlich vernünftiger ist, und zum anderen, weil ich Vater geworden bin. Das war natürlich ein zusätzlicher Boost, mehr Zeit zu Hause zu verbringen und weniger unterwegs zu sein.
Hast Du einen Erfolgs-Tipp für neue Selbstständige?
Sich einmal wirklich gut mit den wirtschaftlichen Themen auseinandersetzen und diese gut verstehen, damit man sie quasi beiseitelegen kann.
Das Schöne an der Physiotherapie ist, dass sie wirtschaftlich recht einfach ist. Aber man muss verstehen, dass man umsatzsteuerbefreit ist. Verstehen, wie viel die Steuer ausmacht, wie viel einem wirklich bleibt und wie viel man sich zur Seite legen muss. Das ist wichtig. Dass man das Wirtschaftliche und das Organisatorische auf die Reihe kriegt. Wie organisiere ich die Termine mit meinen PatientInnen?
All diese Dinge müssen gut geregelt sein, damit man den Kopf für die PatientInnen frei hat. Damit man die Zeit hat, sich Gedanken über neue Therapiemöglichkeiten zu machen und den Spaß an der Sache nicht verliert. Alles, was man gerne macht, macht man gut, und der Erfolg kommt dann ganz von allein.
Was tust Du in puncto Selbstfürsorge und um Deine Batterien aufzuladen?
Schlafen und essen! Spaß beiseite, ich trainiere natürlich, gehe im Wald spazieren, um den Kopf frei zu kriegen und an etwas anderes zu denken. Ich suche mir „unsinnige” Hobbys. Ich liebe es, zB Knoten zu machen und ähnliche Dinge. Zusammengefasst: schlafen, essen und den Kopf freikriegen.
Adela: Im Therapiebereich und der direkten Arbeit mit Menschen ist es sicherlich wichtig, immer wieder selbst den Pause-Knopf zu drücken, um wieder neue Ressourcen zu sammeln.
Ja, absolut. Man darf nicht vergessen: Physiotherapie ist mehr als nur die Hausübung, die ich jemandem mitgebe, oder die Dinge, die ich mit den PatientInnen während ihres Termins mache. Es geht sehr viel um den persönlichen Zugang, um genau die richtigen Schritte für diese Person zu finden.
Es bringt nichts, wenn ich jemanden habe, der im Turnunterricht immer gehänselt wurde, weil er keine Liegestütze geschafft hat, und ihm dann sage: „So, Du machst jetzt Liegestütze.”
Das wäre ja absurd. Da verliere ich sämtliche Compliance. Ich muss die Person kennen, ich muss viel mit ihr reden, auch viele Scherze machen, um das Eis zu brechen und ein bisschen den Menschen dahinter zu sehen. Das ist ein wesentlicher Soft-Skill.
Hast Du in der Selbstständigkeit genug Zeit, Deine PatientInnen richtig kennenzulernen?
Ja, denn ich rechne pro PatientIn immer eine Viertelstunde Puffer zusätzlich ein. Ich lasse auch meine PatientInnen nicht direkt bei mir bezahlen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn ich versuche, mit den PatientInnen langfristig etwas zu erarbeiten und Vertrauen aufzubauen, und dann sage ich: „So, einmal 110 Euro bitte. Danke, wir sehen uns in einer Woche wieder und: Geld nicht vergessen.” Ich sammle lieber ein paar Einheiten an und schicke dann eine Sammelrechnung per E-Mail. Mit einer guten Praxissoftware ist das kein Problem und dann ist das Geld nur in der ersten Einheit ein Thema und nichts, was den PatientInnen jedes Mal im Kopf herumschwirrt. Denn günstig sind wir Physiotherapeuten nicht. Das muss man auch mal so sagen.
Ich habe erst letzte Woche mit einem Kollegen, der sich jetzt selbstständig gemacht hat, darüber geredet und er meinte, dass er das jetzt auch so handhaben wird, da ihm diese Situation immer ungut vorkam. Quasi die Therapie unterbrechen und die Kasse aufmachen. Da bespricht man den Bezahlvorgang lieber einmal und nutzt die Zeit lieber für das Wesentliche: die Therapie.
Gibt es abschließend noch etwas, das Du unseren LeserInnen zum Thema „eigene Praxis“ oder Erfolg in der Selbstständigkeit als TherapeutIn mitgeben möchtest?
Man sollte darauf achten, dass der Spaß an der Arbeit nicht verloren geht.
Da ist es vielleicht auch gut, sich ein Ziel zu setzen, wo man in fünf Jahren als TherapeutIn stehen möchte. Was für eine Art TherapeutIn bin ich? Bin ich jemand, der in einer großen Gruppenpraxis arbeiten möchte? Will ich lieber alleine in einer eigenen Praxis mein Ding machen? Möchte ich vielleicht doch lieber in einer Klinik arbeiten? All das ist möglich und vielleicht braucht man einfach noch ein paar Jahre, bis man sich in die Selbstständigkeit wagt.
Man sollte sich einfach nicht zu sehr stressen, denn das Schöne am Physiotherapie-Beruf ist, dass man immer etwas findet. Wenn man nicht glücklich ist in einer Situation, dann muss und kann man sie ändern. Das ist eigentlich das Grundelement und das Schöne am Beruf, dass genau das gut möglich ist.
Vielen Dank für den Einblick in Deine spannende Karriere. Wo kann man mehr über Dich und Deine Arbeit erfahren?
Ihr findet alles auf meiner Website thephysio.at.